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Montag, 09.09.2019


Berliner Neutralitätsgesetz ist verfassungswidrig und schränkt Muslime in ihrer Religionsfreiheit ein

ZMD: "Berlin kann sein nicht zuletzt im Neutralitätsgesetz selber bekundeten Toleranzverständnis besser gerecht werden, wenn es das Neutralitätsgesetz in derzeitiger Form aufhebt. Ein Gutachten von 2015 kommt übrigens zum ähnlichen Ergebnis und attestiert dem derzeitigen Entwurf Verfassungswidrigkeit"

Der Berliner Gesetzgeber hat – anders als andere Landesgesetzgeber – die unmittelbare Benachteiligung verschiedener Religionen im Gesetzestext vermieden. Dennoch ist das Neutralitätsgesetz vor dem Hintergrund des AGG in seiner Generalität und nicht zuletzt angesichts der erst jetzt erkennbaren tatsächlichen Wirkungen kritisch zu beurteilen.

Nach ZMD- Ansicht liegen unmittelbare bzw. mittelbare Benachteiligungen hinsichtlich der Religion wie auch hinsichtlich des Geschlechts und der ethnischen Herkunft vor, die nach den Maßstäben des AGG kaum gerechtfertigt werden können. Gegen das Neutralitätsgesetz bestehen starke europa- und verfassungsrechtliche Bedenken, die immer wieder gutachterlich unterschiedlich bewertet wurden. 2015 kam ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Abgeordnetenhauses zu dem Schluss, dass das Neutralitätsgesetz verfassungswidrig sei. Ein Beibehalten des Gesetzes ist unter diesen Umständen zwar denkbar, dem Gesetzgeber aber nicht anzuraten.

Es ist dem Gesetzgeber zu empfehlen eine rechtssoziologische Evaluation des Gesetzes hinsichtlich der tatsächlichen Folgen für die Integration vorzunehmen, da offensichtlich ist, dass muslimische Frauen von bestimmten Erwerbstätigkeiten systematisch ausgeschlossen werden.

Auf die Anfrage der "Berliner Zeitung" zum einem Gutachten zum sogenannten Neutralitätsgesetz des Berliner Senats antwortet der Vorsitzende des Berliner ZMD-Landesverbandes Mohamed Hajjaj: "Berlin kann sein nicht zuletzt im Neutralitätsgesetz selber bekundeten Toleranzverständnis besser gerecht werden, wenn es das Neutralitätsgesetz in derzeitiger Form aufhebt. Ein Gutachten von 2015 kommt übrigens zum ähnlichen Ergebnis und attestiert dem derzeitigen Entwurf Verfassungswidrigkeit"

Für Konfliktlösungen im Einzelfall kommt selbstverständlich auch ein Rückgriff auf die anerkannten Grundsätze des Rechts des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung des AGG in Betracht. Konflikte wegen religiöser Kleidung und Symbole der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen könnten maßgeblich nach dem Berliner Landesbeamtengesetz gelöst werden. Erforderlich für eine solche Lösung wäre, dass der Berliner Gesetzgeber das Neutralitätsgesetz aufhebt.

Dies steht dem Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des BVerfG frei, solange er eben Einzelfallentscheidungen will. Rheinland-Pfalz hat beispielsweise ebenso wie Hamburg beschlossen, keine ausdrücklichen Regelungen für religiöse Kleidung und Symbole von Lehrkräften an öffentlichen Schulen zu treffen.